Hier findet ihr wichtiges Wissen & Fakten rund um den

Gender Health Gap

Was ist der Gender Health Gap?

Unter dem Gender Health Gap versteht man die Unterschiede in der medizinischen Forschung zwischen dem weiblichen und männlichen Geschlecht. Geschlecht hat eine enorme Relevanz und wird „als eine zentrale und ausgesprochen komplexe soziale Determinante für Gesundheit angesehen.“ (Bolte, Lahn 2015, S.53) Die Betrachtung von geschlechterspezifischen Krankheitssymptomen hat eine enorme Bedeutung und es ist von großer Wichtigkeit. Krankheiten und Symptome sollten immer getrennt  geschlechtlich (sex und gender) betrachtet werden und es sollte keine Verallgemeinerungen geben. „In Deutschland fehlen noch immer Richtlinien zur angemessenen Berücksichtigung geschlechterspezifischer Belange.“ (Maschewsky-Schneider, Hinze, Kolip, Scheidig 2001, S. 89) Die meiste Forschung innerhalb der Medizin erfolgt vorrangig für Männer. In Bezug auf chronische Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Krankheiten wurden vorwiegend Einflussfaktoren für Männer untersucht. Relevanz für geschlechterspezifische Unterschiede gab es nicht (vgl. Maschewsky-Schneider, Hinze, Kolip, Scheidig 2001, S. 89). 
Wichtig in Zusammenhang mit dem Gender Health Gap ist die Geschlechtersensibilität. Sie besagt, das„Ignorieren des biologischen [sex] und sozialen [gender] Geschlechts als bedeutsamen Faktor in dem jeweiligen Untersuchungszusammenhang. Es fehlt ein Bewusstsein in der Forschung und Versorgung dafür, dass beide Geschlechter differenzierend betrachtet werden müssen.“(Maschewsky-Schneider, Hinze, Kolip, Scheidig 2001, S. 90) Es wird somit deutlich, dass Frauen in Bezug auf gesundheitliche Untersuchung und Krankheitssymptome aufgrund ihres Geschlechts strukturell benachteiligt werden. 

Wie entsteht der Gender Health Gap?

Der Gender Health Gap entsteht durch eine Kombination aus gesellschaftlichen, medizinischen und strukturellen Faktoren, die dazu führen, dass Menschen je nach Geschlecht unterschiedlich gut versorgt werden, wenn es um Gesundheit, Diagnostik, Therapie und Forschung geht. „Exemplarisch zu nennen sind hier z. B. die unterschiedlichen Versorgungsstandards von Frauen und Männern bei gleichem Krankheitsbild.“ (Hornberg, Pauli, Wrede 2016, S.3) 

„Am Beispiel von Erkrankungsbildern der oberen und unteren Extremitäten sowie am Symptom „Kreuzschmerzen“ werden häufig verkannte Genderaspekte dargestellt. Diese sind von entscheidender Bedeutung, sowohl in Bezug auf die Krankheitsursachen und -verläufe, als auch im Hinblick auf Behandlungserfordernisse und -ergebnisse. So beeinflussen biologische Unterschiede zwischen Frauen und Männern, wie z. B. der unterschiedliche Körperbau, medikamentöse Therapien. Inwieweit aber soziale Faktoren, wie z. B. ein geringer Bildungsstatus oder Arbeitslosigkeit, Stress oder die allgemeine psychische Gesundheit orthopädische Erkrankungsbilder beeinflussen, ist bislang noch wenig untersucht. Auch die Bedeutung von Geschlecht ist noch wenig erforscht. Eine systematisch geschlechterdifferenzierte und geschlechtersensible Prävention, Diagnostik und Therapie sollte als Qualitätsmerkmal in die Orthopädie, auch speziell in die orthopädische Chirurgie eingeführt werden. […] Eine bessere Verankerung von Geschlechterthemen in der medizinischen Aus-, Fort- und Weiterbildung ist daher eine zentrale Voraussetzung, um eine medizinische Versorgung in gleicher Qualität und Quantität für beide Geschlechter zu ermöglichen“. (Hornberg, Pauli, Wrede 2016, S. 8) 
Am Gender Health Gap wird deutlich, dass es sich hier um interdisziplinäres Problem handelt, an welchem verschiedene Disziplinen zusammenarbeiten müssen. 

Fakten und Zahlen

 

 

"Rund jede fünfte Frau hat sich bei einer medizinischen Behandlung aufgrund ihres Geschlechts schon einmal nicht ernstgenommen gefühlt."

(AXA Deutschland 2025)

 

"Rund ein Drittel der Deutschen  (32 Prozent) nimmt an, das Geschlecht spiele bei der Behandlung von Krankheiten keine Rolle."

(AXA Deutschland 2025)

 

 

Geschichtlicher Hintergrund 

Die Ursprünge der geschlechterspezifischen Gesundheitsforschung sind ein recht junger Forschungsgegenstand. Sie  liegen in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts und gehen mit der Frauenforschung einher (vgl. Maschewsky-Schneider, Hinze, Kolip, Scheidig 2001) „Frauengesundheitsforschung untersucht die sozialen und psychischen Bedingungen, unter denen die Gesundheit von Frauen erhalten und Krankheit verhindert werden kann. Sie befasst sich mit der Frage, welche Versorgung Frauen in der Gesundheitsförderung und Prävention, in der Medizin und in der Rehabilitation brauchen. Ausgangspunkt bilden die spezifische Lebenslage von Frauen und die spezifischen psycho-sozialen Bedingungen in der Bewältigung von Krankheit und dem Umgang mit Gesundheit. Dabei spielt die Herausarbeitung der jeweiligen Unterschiede und Besonderheiten von Frauen und Männern eine zunehmende Rolle.“ (Maschewsky-Schneider, Hinze, Kolip, Scheidig 2001, S. 89)

Weiterer wichtiger Bestandteil in der Aufarbeitung des Gender Health Gap ist, wie bereits angedeutet die Frauengesundheitsforschung, die verschiedene Perspektiven rund um geschlechterspezifische Versorgung aufarbeitete. Sie arbeitete heraus, welche Themen die Forschung in Bezug auf Gesundheit von Frauen besonders vernachlässigt hat. Unter anderem wurden Themen aufgegriffen, bei welchen eine Benachteiligung oder Ungleichbehandlung im Vergleich zu Männern besonders herausstach (vgl. Maschewsky-Schneider, Hinze, Kolip, Scheidig 2001) . Darunter fallen Aspekte wie „Einfluss von Arbeits- und Lebensbedingungen von Frauen in Beruf und Familie auf ihre körperliche und psychosoziale Gesundheit, insbesondere die Gesundheit von Müttern  mit kleineren Kindern[,][...]Gewalt gegen Frauen[,]Untersuchungen zum Medikamentenkonsum und zur Medikamentenabhängigkeit und deren Hintergründe im Medizinsystem [sowie] Forschung und Modellentwicklung zur Gesundheitsförderung für Frauen" (Maschewsky-Schneider, Hinze, Kolip, Scheidig 2001, S. 90).

Die Basis der Frauengesundheitsforschung liegt nach dem Fall der Mauer in Deutschland. Besonders in der DDR hatte das Thema der Gesundheit von Frauen eine zentrale Relevanz, da es eine sehr hohe Erwerbstätigkeit der Frauen und Mütter gab (vgl. Maschewsky-Schneider, Hinze, Kolip, Scheidig 2001). Einen weiteren Aufschwung der Gesundheitsforschung in Bezug auf Geschlechterspezifisierung kam mit der „Förderung der Public-Health-Forschungsverbünde in Deutschland" (Maschewsky-Schneider, Hinze, Kolip, Scheidig 2001, S. 90). Es wurden Forderungen für die Frauengesundheitsforschug mit dem Ziel der langfristigen Etablierung dieser formuliert (vgl. Maschewsky-Schneider, Hinze, Kolip, Scheidig 2001). Diesbezüglich gab es verschiedene Teilerfolge, wie die "Förderung verschiedener frauenspezifischer Projekte (z.B. zur Versorgung von Schwangeren mit sozialen Risikolagen, zu Migrantinnen, zu Geburtshäusern, Studien zur gesungheitlichen Situation von Frauen in Ost- und Westdeutschland" (Maschewsky-Schneider, Hinze, Kolip, Scheidig 2001, S. 90).

Es wird deutlich, dass das Thema einer geschlechterspezifischen Gesundheitsbetrachtung noch keine 60 Jahre alt ist. Die interdisziplinäre Relevanz jedoch für die Gegenwart und die Zukunft  unverzichtbar. 

 Exkurs zur Intersektionalität 

Eng zusammenhängend mit der Frauengesundheitsforschung ist das Konzept der Intersektionalität, welches durch die „schwarze Rechtswissenschaftlerin Kimberle W. Crenshaw (1991) in ihrem Text „Maping the margins““(Bolte, Lahn 2015, S.54) geprägt wurde. Hierbei beleuchtete sie  „die ungleichheitserzeugenden Wechselwirkungen zwischen soziostrukturellen Merkmalen wie „Geschlecht“, „Ethnie/,race‘“ und „Sozialschicht“ […], ohne die verschiedenen Kategorien und die damit verbundenen Diskriminierungsformen quantitativ zu addieren oder die eine gegenüber der anderen zu vernachlässigen. Intersektionalität lässt sich im wissenschaftlichen Diskurs zwischen den Strängen der Gender Studies aber auch  der Queer Theory und den Poscolonial Studies verorten. Hierbei wird deutlich, dass es sich um interdisziplinäre Forschungshaltung handelt (vgl. Bolte, Lahn 2015).

Besonders betroffen von Intersektionalität sind jene Gruppen, mit der größten strukturellen Benachteiligung. Als Bespiel Frauen*, welche homosexuell und schwarz sind, erfahren die meiste Ausgrenzung und Benachteiligung im Job aber auch alltäglichen Belangen. 
„Damit ist Intersektionalität weder eine geschlossene Theorie noch disziplinär gebunden oder einer spezifischen Methodentradition verpflichtet“( Bolte, Lahn 2015, S.54).

Um keine Person auszuschließen, nutzen wir das * hinter dem Begriff Frau* auf unserer Website. Dies inkludiert alle Individuen mit einem Uterus, die vom Gender Health Gap betroffen sind. das Sternchen wird genutzt, um eine Inklusion aller Betroffenen zu gewährleisten. 

Folgen für betroffene (Frauen)

Die Folgen des Gender Health Gaps betreffen nicht nur einzelne Personen, sondern haben weitreichende Auswirkungen auf ganze Gesellschaften. Diese Lücke führt dazu, dass geschlechtsspezifische Unterschiede in Biologie, Symptomen, Krankheitsverläufen und Reaktionen auf Therapien oft nicht ausreichend berücksichtigt werden. Die Folge ist eine schlechtere medizinische Versorgung für all jene, deren Körper, Bedürfnisse und Lebensrealitäten von der „männlichen Norm“ abweichen – insbesondere für Frauen*, aber auch für nicht-binäre, trans oder intergeschlechtliche Menschen.

Ein zentrales Problem ist, dass medizinische Forschung über Jahrzehnte hinweg überwiegend an männlichen Probanden durchgeführt wurde. Dadurch fehlen Daten über weibliche Körper, hormonelle Zyklen und geschlechtsspezifische. Diagnosen erfolgen vielfach auf Grundlage „männlich definierter“ Symptome – etwa beim Herzinfarkt, bei dem sich die Anzeichen bei Frauen oft unterscheiden, aber dennoch nicht ausreichend bekannt oder anerkannt sind.

Diese Lücken führen zu einer erhöhten Rate von Fehldiagnosen, unnötigen Leidenswegen und vermeidbaren Komplikationen. Gleichzeitig wird die psychische Belastung vieler Betroffener verstärkt, wenn sie sich nicht ernst genommen oder falsch behandelt fühlen. 

Gesamtgesellschaftlich führt diese Ungleichbehandlung zu höheren Krankheitslasten, Produktivitätsausfällen und steigenden Gesundheitskosten. Zudem wird das Vertrauen in das Gesundheitssystem untergraben, wenn bestimmte Gruppen immer wieder benachteiligt oder ignoriert werden. Der Gender Health Gap ist daher nicht nur ein medizinisches, sondern auch ein soziales und politisches Problem. Um ihn zu schließen, braucht es geschlechtersensible Forschung, eine medizinische Ausbildung, die Diversität berücksichtigt, sowie strukturelle Veränderungen in Gesundheitspolitik und Versorgung. Nur so kann eine faire und wirksame Gesundheitsversorgung für alle gewährleistet werden.

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