Herzinfarkt bei Frauen*

Ein Herzinfarkt ist ein einschneidendes und potenziell lebensbedrohliches Ereignis, dessen Verständnis für Betroffene, Angehörige und Freunde von entscheidender Bedeutung ist. Er entsteht durch den Verschluss eines Herzkranzgefäßes, was den betroffenen Herzmuskelabschnitt von der lebensnotwendigen Sauerstoffzufuhr abschneidet und zum Absterben der Zellen führt. Dieser Teil des Herzmuskels wird allmählich durch Narbengewebe ersetzt. (Vgl. Mathes 2012)

Alarmzeichen und Notfallreaktion

schwere, länger als 5 Minuten anhaltende Schmerzen im Brustkorb (kann sich in die Arme, Schulterblätter, Hals, Kiefer oder Oberbauch ausstrahlen)


blasse, fahle Gesichtsfarbe und kalter Schweiß

starkes Engegefühl, heftiger Druck im Brustkorb und Angst


zusätzlich: Luftnot, Übelkeit, Erbrechen, Schwächeanfall (auch ohne Schmerzen) und eventuell Bewusstlosigkeit

wichtiger Hinweis bei Frauen*:

Bei Frauen* sind Luftnot, Übelkeit, Schmerzen im Oberbauch und Erbrechen nicht selten alleinige Alarmzeichen. Jüngere Frauen* unter 55 Jahren erleben einen Herzinfarkt häufiger asymptomatisch (ohne Brustschmerzen) als Männer und haben dabei eine höhere Mortalität

(vgl.  Mathes 2012, S. 86, Holzgreve 2013, S. 42)

Im Notfall gilt:

  • Sofort den Notarzt unter 112 rufen. Jede Minute zählt, da in den ersten Stunden die größte Gefahr von Herzrhythmusstörungen wie Kammerflimmern und irreversiblem Verlust von Herzmuskelgewebe besteht.
  • Patienten mit erhöhtem Oberkörper lagern und beengende Kleidung entfernen.
  • Bei vorhandenen Nitrokapseln 1–2 Kapseln geben, aber nicht mehr.
  • Angehörige sollten Ruhe bewahren, dem Arzt den Weg weisen und emotionale Unterstützung bieten. Eine "innere Blockade" oder die Weigerung, die Ernsthaftigkeit der Situation einzusehen, kann zu gefährlichen Verzögerungen führen.

Schutzfaktoren

Einige Faktoren können das Infarktrisiko senken, sollten aber nicht als Patentlösung missverstanden werden.

  • Körperliche Bewegung: Regelmäßiges Ausdauertraining (mindestens 3 Tage pro Woche Laufen, Radfahren, Schwimmen) verringert das Infarktrisiko deutlich. Es entlastet das Herz, verbessert die Leistungsfähigkeit der Muskulatur und wirkt sich günstig auf den Stoffwechsel aus. Bei Frauen entfaltet körperliche Bewegung eine stärkere Protektion.
  • Maßvoller Alkoholgenuss: Insbesondere Rotwein, kann einen schützenden Effekt haben, jedoch ist die Menge entscheidend und bei Gewichtsproblemen ist Vorsicht geboten.
  • Antioxidative Flavonoide: Enthalten in Schwarztee, Zwiebeln und Äpfeln, können das Risiko eines Herztodes senken.
  • Ungesättigte Fettsäuren: Einfach ungesättigte Fettsäuren (z. B. in Olivenöl, Rapsöl) und Omega-3-Fettsäuren (z. B. in Fischöl) haben positive Effekte. Die mediterrane Ernährung, reich an diesen Fetten, Gemüse und Fisch, konnte schwerwiegende kardiale Ereignisse um über 50 % reduzieren.
  • Hormonersatztherapie bei Frauen*: Obwohl körpereigene Hormone Frauen* bis zu den Wechseljahren schützen, wird eine Hormonersatztherapie zur Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen aufgrund erhöhter Thrombose- und Brustkrebsrisiken nicht empfohlen.

Diagnose und Behandlung

Nach der ersten Einschätzung erfolgt die weitere Abklärung und Behandlung.

  • Diagnostik: Methoden wie Elektrokardiogramm (EKG), Belastungs-EKG, Myokardszintigraphie, Echokardiographie, ultraschnelle Computertomographie (UCT) und Magnetresonanztomographie (MRT) geben Aufschluss über den Zustand des Herzens und der Gefäße. Die Koronarangiographie (Herzkatheteruntersuchung) ist das präziseste Verfahren zur Darstellung von Gefäßverengungen und -verschlüssen und entscheidend für die Therapieplanung.
  • Akutbehandlung: In spezialisierten Herznotfallambulanzen (Chest Pain Units, CPUs) wird umgehend abgeklärt, ob ein Herzinfarkt vorliegt. Das Ziel ist die sofortige Wiedereröffnung des verschlossenen Herzkranzgefäßes. Dies kann mittels Ballondilatation (PTCA/PCI) und/oder Stentimplantation geschehen, wobei medikamentenbeschichtete Stents das Risiko erneuter Verengungen reduzieren. Alternativ kann eine Thrombolyse (medikamentöse Auflösung des Gerinnsels) durchgeführt werden, wenn kein Herzkatheterlabor schnell erreichbar ist.
  • Bypassoperation: Wenn mehrere Herzkranzgefäße kritisch verengt sind und eine Dilatation nicht infrage kommt, kann eine Bypassoperation empfohlen werden. Dabei werden neue Gefäße gelegt, um die Engstellen zu überbrücken. Rund 90 % der Patienten sind danach beschwerdefrei oder deutlich gebessert. Neuere minimalinvasive Verfahren wie MIDCAB und OPCAB bieten Vorteile für bestimmte Patientengruppen.
  • Herzschrittmacherimplantation: Kann notwendig sein, wenn ein Infarkt das natürliche Reizleitungssystem des Herzens unterbrochen hat, um einen geregelten Herzschlag aufrechtzuerhalten.
  • Wiederbelebung (CPR): Bei Herz-Kreislauf-Stillstand ist sofortiges Handeln durch Laien entscheidend, da der Organismus nur wenige Minuten überleben kann. Herzdruckmassage und ggf. Atemspende können die Zeit bis zum Eintreffen des Notarztes überbrücken.

Lebensgestaltung nach dem Infarkt

Der Herzinfarkt markiert den Beginn eines neuen Lebensabschnitts. Die konsequente Änderung des Lebensstils ist der wichtigste Schritt, um das Fortschreiten der Krankheit aufzuhalten und einem erneuten Infarkt vorzubeugen.

  • Rehabilitation: Nach dem Akutkrankenhaus ist eine Weiterbehandlung in einer Rehabilitationsklinik oder einem ambulanten Heilverfahren (Tagesklinik) sinnvoll, um die körperliche und psychische Genesung zu unterstützen. Hier werden maßgeschneiderte Bewegungstherapien, Entspannungstechniken und Ernährungsberatung angeboten. Telemedizinische Überwachung kann zusätzliche Sicherheit bieten.
  • Ernährung: Eine bewusste Ernährungsumstellung mit viel Obst, Gemüse, Fisch und ungesättigten Fettsäuren (z.B. Mittelmeerernährung) ist entscheidend. Versteckte Fette, zu viel Salz und Transfette sollten gemieden werden.
  • Medikamentöse Therapie: Nach einem Infarkt ist die Einnahme von Medikamenten zur Senkung des Cholesterinspiegels (Statine) und zur Hemmung der Blutgerinnung (Azetylsalizylsäure, Clopidogrel, neue Gerinnungshemmer) entscheidend. Weitere Medikamente wie Betablocker, ACE-Hemmer oder Kalziumantagonisten können je nach Bedarf verschrieben werden. Eine gewissenhafte Einnahme und Rücksprache mit dem Arzt bei Fragen sind unerlässlich. Vorsicht ist vor unseriösen "Wundermitteln" und überdosierten Nahrungsergänzungsmitteln geboten, deren Wirksamkeit nicht belegt ist und die sogar schädlich sein können.
  • Psychische Bewältigung: Angst, Niedergeschlagenheit und Selbstzweifel sind normale Reaktionen auf einen Herzinfarkt. Die meisten Patienten können ihr vorheriges Leistungsniveau weitgehend wieder erreichen. Unterstützung durch Angehörige und, bei Bedarf, psychologische Hilfe sind wichtig.
  • Persönliche Beziehungen und Sexualität: Die meisten Patienten können ihre gewohnte sexuelle Aktivität wieder aufnehmen. Die Belastung entspricht einem flotten Spaziergang. Offene Kommunikation mit dem Partner und dem Arzt über Ängste und Bedenken ist entscheidend. Eine gleichzeitige Einnahme von potenzsteigernden Mitteln (wie Viagra®, Cialis®, Levitra®) und Nitraten ist strikt verboten und lebensgefährlich.
  • Berufliche Wiedereingliederung: Die Rückkehr in den Beruf ist oft möglich und ein wichtiger Schritt zur Genesung. Es ist wichtig, das Arbeitspensum anzupassen und ausreichend Ruhezeiten einzuplanen. Beratungsstellen und Sozialarbeiter können bei Fragen zu Schwerbehindertenausweis und Berentung helfen.
  • Urlaub und Sport: Extreme Klimawechsel und Höhendifferenzen sollten vermieden werden. Autofahren ist nach den ersten Wochen meist unproblematisch, Bahnreisen sind empfehlenswert, und Flugreisen sind entgegen mancher Ängste meist sicher, solange nicht schwere Herzprobleme vorliegen. Maßvoll betriebener Ausdauersport (z. B. Laufen, Radfahren, Schwimmen, Wandern) ist sehr zu empfehlen, da er Freude bereitet und die Belastbarkeit steigert. Wettkampfsport und abrupte Belastungen sollten vermieden werden. Eine gut ausgestattete Reiseapotheke mit ausreichend Medikamenten ist wichtig.

Quellen:

Mathes, P. (2012) Ratgeber Herzinfarkt

Füeßl, H. S., Holzgreve, H., Diehm, C., Malberg, K. und Zidek, W. (2012)

Holzgreve, H. (2013) 

 

 

Warum Aufklärung zählt:

Herzinfarkte verlaufen bei Frauen oft anders als bei Männern. Statt klassischer Brustschmerzen äußern sich Symptome häufig mit unspezifischen Beschwerden wie Schmerzen in Hals oder Kiefer - oder der Herzinfarkt bleibt gänzlich symptomlos. Das führt dazu, dass Frauen* später medizinische Hilfe suchen und seltener adäquat behandelt werden.

Aufklärung kann leben retten, denn je besser Ärzt:innen und Betroffene über diese Unterschiede Bescheid wissen, desto früher wird gehandelt. Geschlechtsspezifisches Wissen muss deshalb ein fester Bestandteil von Diagnostik, Therapie und medizinischer Bildung werden.

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